Dehaam :: Home
frankfurtblick :: WM-Spezial :: World Cup special
 
Dehaam :: Home

WM-Sheriffs

Während der WM bot sich auf Frankfurts Straßen ein Schauspiel der besonderen Art: Fahnen schwenkende Menschen auf fahrenden Autos, auf der Kühlerhaube sitzend oder dem Autodach liegend, inmitten hupender Autokolonnen; Fahrräder, Mofas und schwere Motorräder, die durch die von eben jenen Autoschlangen gebildeten Gassen heizten; Passanten, die wie von der Tarantel gestochen auf Bürgersteigen und Straßen tanzten, unentwegt mit Flaggen wedelten und in den gemeinsamen Chor der Fußballlieder und Freudengesänge einstimmten. Am Rande des Geschehens, immer präsent aber unaufdringlich und zurückhaltend, standen Polizisten. Nicht drohend, nicht provokant – nein, nicht einmal grimmig oder verstockt standen sie da. Vielmehr in lockerer Haltung, gut gelaunt wirkten die meisten von ihnen, freundlich und zuweilen fröhlich mit einem verschmitzten Lächeln im Gesicht. Bei der Fülle an begangenen Ordnungswidrigkeiten haben sie so viele Augen wie verträglich zugedrückt und sind immer dann eingeschritten, wenn es notwendig war und eine Situation es erforderte. Die Straßenverkehrsordnung wurde für Stunden in großen Teilen außer Kraft gesetzt, um den Siegesfeiern freien Lauf zu lassen, die sich einer WM als würdig erwiesen. Die Art und Weise der fast an der Tagesordnung abgehaltenen Siegesfeiern wurde nahezu selbstverständlich von der Polizei geduldet, ebenso wie der kollektive Badespaß im Gerechtigkeitsbrunnen auf dem Römerberg. Kletterte ein Fan an einem Laternenpfahl hoch oder setzte er sich auf ein Straßenschild und drohte dabei sich und andere zu gefährden, dann schritten die Polizisten ein - und zwar in einer Art und Weise, die ich als direkt, unmissverständlich aber dennoch freundlich und besonnen bezeichnen würde. Kein einziges Mal eine Durchsage im Sinne von: „Achtung, Achtung, hier spricht die Polizei!“. Vielmehr wurde jede Ansage mit den einleitenden Worten begonnen: „Liebe Fußballfreunde, ...“.

In erster Linie achteten die Polizisten darauf, dass es manche nicht zu dolle trieben und verhalfen zu gebotener Zeit manch Feierndem im Höhenflug wieder zur Bodenhaftung.
Mit ihrer Strategie der Prävention und Deeskalation schuf die Polizei die Basis für eine friedlich verlaufende WM. Als Einsatzmittel für die erfolgreiche Umsetzung galt von Anfang an eine aktive Kommunikation: Ansprechpartner der Polizei, sogenannte Communicator, waren als solche durch einen großen Schriftzug auf Ihrer Uniform ersichtlich; bahnte sich eine schwierige Situation an, gingen die Beamten auf die Beteiligten zu und versuchten die Wogen durch einen Dialog zu glätten. Das Prinzip, dass vor potenziell bedrohlichen Situationen ein Agieren-können im Vorfeld einem Reagieren-müssen nach Ausbruch von Gewalt vorzuziehen ist, wurde von der Polizei erfolgreich unter Beweis gestellt. Und ich behaupte, dass der aktive Dialog mit den Fans eine Gewaltbereitschaft erst gar nicht hat aufkommen lassen.
Nur zwei Situationen hatte ich während der WM in Frankfurt erlebt, in der sich potenzielle Gewalt seitens betrunkener „Fans“ auszubreiten drohte. Und in beiden Fällen hatte die Polizei durch ihr schnelles Einschreiten eine Eskalation der Gewalt verhindert. Ohne großes Tamtam - und dennoch direkt, konsequent und unmissverständlich.

Nicht nur das Bild des deutschen, ordnungsliebenden Polizisten mit seinen ihm nachgesagten preußischen Tugenden hat sich mit dieser WM geändert. Es geht noch viel weiter: die Erscheinung und das Verhalten der Polizisten hat das Klischee des „typisch deutschen“ Ordnungshüters regelrecht auf den Kopf gestellt. Die Beamten im Dienst hatten nämlich größtenteils Spaß an dem ganzen WM-Rummel und haben diese Freude auch gezeigt.
Wenn auch anfangs der Respekt vor den Menschenmassen bei den Beamten für mich erkennbar war – verständlicherweise, denn mir ging es ja nicht anders -, so entkrampfte sich ihre Haltung nach den ersten WM-Tagen deutlich. Und im Laufe der WM bot sich mir das Bild einer Polizei, das einen entscheidenden Wesenszug bisher nur selten hat an die Oberfläche treten lassen: ihre menschelnde Nahbarkeit der Bevölkerung gegenüber. Mit ihrer Offenheit trotz Zurückhaltung, freundlichen Hilfsbereitschaft und Sicherheit vermittelnden Erscheinung ohne jeglichen Bedrohlichkeitsfaktor und nicht zuletzt durch ihre emotionalen Regungen ohne Einbüßung von Autorität und Respekt haben sie viele Sympathiepunkte hinzugewonnen.

Die Frauen und Männer in Uniform freuten sich mit der Partygesellschaft, als wären sie ein Teil von ihr. Und dadurch wurden sie auch zu einem Teil von ihr. Eben auch mal alle Fünfe gerade sein lassen oder um es in Frankfurter Mundart zu sagen: „Ei, lasse doch laawe, lasse doch hibbe!“. Es gab so viele Situationen, die ich im Zusammenhang mit der Polizei erlebt habe, so viele Eindrücke, die mir haften geblieben sind. Im folgenden möchte ich einige dieser „Polizeigeschichten“ erzählen ...