Anekdoten > Phänomenal
Dieses Bild beschreibt ein Phänomen: die Magie der Kamera. Man nehme seine Spiegelreflexkamera, stelle sich auf eine der Zuschauertribünen in der Mainarena, und nehme eine Frau ins Visier. Macht man gleich ein paar Fotos hintereinander und nimmt sich dazu noch etwas Zeit für dieses Spontanshooting, erregt man zwangsläufig die Aufmerksamkeit der umstehenden Zuschauer. Und in fast allen Fällen passiert dann folgendes: mindestens ein männlicher Zeitgenosse gesellt sich zu der Dame, um auf dem Titelbild der „Vogue“ oder „Sportbild“ bloß nicht zu kurz zu kommen (oder um sich keine Gelegenheit für ein Kennenlernen entgehen zu lassen). Was auch immer die Beweggründe dafür sein mögen, was auch immer diese Männer zu solch einer Handlung veranlasst: in Situationen, in denen die Männerschar das Gruppenbild mit Dame zu sprengen drohte, nahm ich demonstrativ meine Kamera nach unten. Entweder, sie verstanden meine Geste und räumten dann das Feld oder sie spornten mich an, doch endlich ein Foto von ihnen zu machen. Letzteres quittierte ich in der Regel mit Schulterzucken und deutete einen Ortswechsel an. In diesem Fall (siehe Foto) machte ich eine Ausnahme: die junge Dame war sichtlich genervt von dem sich zu ihr gesellenden Mann und ihr Gesichtsausdruck wollte mir zu verstehen geben: nun drück' doch endlich ab, damit sich der Kerl wieder dorthin setzt, von wo er gekommen ist. Doch ich drückte dieses Mal nicht ab, weil ich der Meinung war, dass sie noch mehr Potenzial in non-verbaler Kommunikation besitzen würde und somit der Ausdruck in Ihrer Mimik noch steigerungsfähig sei. Mit meiner Vermutung sollte ich richtig liegen und im richtigen Moment, kurz bevor sie die Geduld verlor, drückte ich schließlich ab.